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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: 27 U 115/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 141 | |
ZPO § 256 | |
ZPO § 756 Abs. 1 | |
BGB § 626 Abs. 1 | |
BGB § 626 Abs. 2 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 27. April 2006 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe:
Die Beklagte ist die Konzernmutter eines weltweit operierenden Bau- und Bergbaukonzerns. Der Kläger war zunächst ab dem 1.11.1999 Geschäftsführer der Bauunternehmung E. I GmbH (im Folgenden auch kurz: FI), einer ihrer Tochtergesellschaften. Hierüber verhält sich der Geschäftsführerdienstvertrag vom 3.11.1999 (Bl. 26 ff. GA), der zunächst auf 5 Jahre befristet war. In der Aufsichtsratssitzung vom 6.11.2003 wurden der Dienstvertrag und die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer um weitere 5 Jahre bis zum 31.10.2009 verlängert.
Am 18.3.2005 wurde der Kläger vom Aufsichtsrat der Beklagten für die Zeit vom 1.4.2005 bis zum 31.10.2009 zu deren Geschäftsführer bestellt; ferner wurde zwischen beiden Gesellschaften und dem Kläger vereinbart, dass die Beklagte in den bestehenden Dienstvertrag mit dem Kläger eintritt.
Durch Beschluss vom 1.9.2005 entzog die Gesellschafterversammlung der Beklagten dem Kläger und seinem Mitgeschäftsführer H das Vertrauen. Daraufhin wurden beide auf einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung der Beklagten vom 7.9.2005 als Geschäftsführer abberufen und von ihren Dienstpflichten freigestellt. Auf seiner Sitzung vom 1.11.2005 beschloss der Aufsichtsrat dann die fristlose Kündigung der Dienstverträge, was dem Kläger mit Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 3.11.2005 mitgeteilt wurde. Grund für diese Kündigung waren danach dem Kläger vorgeworfene gravierende Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit einem Staudammprojekt in Algerien ("NBP Los 1").
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 3.11.2005 noch durch andere Beendigungstatbestände beendet worden ist und zu unveränderten Bedingungen bis zum 30.10.2009 fortbesteht, sowie die Zahlung des vereinbarten Gehalts für die Monate November und Dezember 2005. Wegen der ursprünglich ebenfalls eingeklagten Gehaltszahlung für Oktober 2005 haben die Parteien den Rechtsstreit bereits in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat zur Rechtfertigung der Kündigung im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Kläger, der für sie bereits seit 1999 wesentliche Aufgaben in den Bereichen Finanzen und kaufmännische Leitung übernommen habe und in dieser Funktion maßgeblich am Abschluss des Projektvertrages NBP Los 1 beteiligt gewesen sei, sie verpflichtet habe, ohne die erforderliche vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen, dass die gesamte Liquiditäts- und Avals- und insgesamt finanziell ungeklärte Situation die Verpflichtung nicht zugelassen habe, sowie dass die Gremien (Aufsichtsrat, Lenkungsausschuss, Mitgeschäftsführer) nicht umfassend informiert worden seien.
Im Laufe des Rechtsstreits hat sie sodann mit Schriftsatz vom 18.4.2006 zwei weitere Kündigungsgründe nachgeschoben, von denen ihr Aufsichtsrat erst nach Ausspruch der fristlosen Kündigung Kenntnis erhalten habe: Zum einen habe der Kläger zu Lasten der FI pflichtwidrig Zahlungen an einen leitenden Angestellten, Herrn S, veranlasst, die diesem nicht zugestanden hätten; er habe mit diesem eine Vereinbarung über die Abrechnung fiktiver Reisekosten getroffen. Demgemäß habe Herr S in den Zeiten, in denen ihm kein Dienstwagen zur Verfügung gestanden habe, nämlich von Februar 2003 bis Januar 2004 und zwischen Januar und Oktober 2005, insgesamt mehr als 20.000 € als vermeintliche Dienstreisekosten mit einem privaten Pkw monatlich abgerechnet, die jeweils vom Kläger abgezeichnet worden und bis auf die letzten beiden Monate zur Auszahlung gekommen seien. Zum anderen habe der Kläger eigenmächtig und pflichtwidrig die Tantieme für das Jahr 2004 vorzeitig vereinnahmt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; es hat die fristlose Kündigung für begründet gehalten, weil der Kläger durch Beteiligung an der Eingehung eines großvolumigen Geschäfts, dessen Finanzierung nicht gewährleistet war, eine so schwerwiegende Verletzung der Interessen der Beklagten begangen habe, dass ihr die Vertragsfortsetzung mit ihm unzumutbar sei. Die finanziellen Verpflichtungen aus dem Projekt hätten die Liquiditäts- und Avalsituation der Beklagten bei weitem überstiegen. Außerdem habe der Kläger, den auch vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten bereits Sorgfalts- und Treuepflichten getroffen hätten, seine Mitgeschäftsführer, den Lenkungsausschuss und den Aufsichtsrat der Beklagten in nicht hinzunehmender Weise mangelhaft informiert.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der getroffenen Feststellungen, weiterer Einzelheiten seiner Begründung sowie des Parteivorbringens in erster Instanz verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die abgewiesenen Anträge weiterverfolgt und um den weiteren Feststellungsantrag, dass sich die Beklagte hinsichtlich seiner Dienstleistungen im Annahmeverzug befinde, erweitert.
Er wiederholt und vertieft bezüglich des Projektes NBP sein erstinstanzliches Vorbringen zu einer fehlenden Pflichtverletzung, der Erforderlichkeit einer Abmahnung und der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist.
Hinsichtlich der nachgeschobenen Kündigungsgründe meint er, dass etwaige Pflichtwidrigkeiten als Geschäftsführer der FI zu deren Nachteil die Kündigung des Dienstverhältnisses der Parteien ohnehin nicht rechtfertigen könnten. Die erhobenen Vorwürfe seien aber auch unzutreffend.
Herr S habe in den fraglichen Zeiten lediglich Reisekosten abgerechnet. Von ihm werde auch nichts zurückgefordert. Er dürfe im Gegenteil nach wie vor seine Ferrari-Fahrzeuge für betriebliche wie private Zwecke mit einer Firmen-Tankkarte betanken. Seine Reiseaufwendungen würden unverändert vergütet. Auch in anderen Fällen werde bei der Beklagten Lohn- oder Gehaltsersatz steuerverkürzend durch Gewährung von Tankkarten erbracht und dies sogar im direkten Umfeld des Aufsichtsratsvorsitzenden und Hauptgesellschafters. Deshalb habe die unterstellte Pflichtwidrigkeit auch nicht das notwendige Gewicht für eine fristlose Kündigung.
Zur Tantieme behauptet der Kläger, er habe sich lediglich nach einem Gespräch mit Prof. I1 an Herrn H gewandt mit der Bitte, die Tantieme zu gegebener Zeit an ihn zu überweisen. Weiteren Einfluss auf die Auszahlung habe er nicht genommen.
Die Beklagte hält den klageerweiternd gestellten Feststellungsantrag für unzulässig und verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger habe seine Pflichten gröblich verletzt, indem er ihre vertragliche Einbindung in ein Projekt zugelassen habe, dessen Finanzierung in hohem Maße ungewiss gewesen und dessen Misslingen von Beginn an vorprogrammiert gewesen sei.
Hinsichtlich der nachgeschobenen Kündigungsgründe hält die Beklagte das Vorbringen des Klägers für verspätet (§§ 530, 296 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen wiederholt und vertieft sie hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Der Senat hat den Kläger und den Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten Prof. Dr. Dr. I1 gemäß § 141 ZPO persönlich gehört und Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 22.3.2007 (Bl. 1175 f. GA) durch uneidliche Vernehmung der Zeugen E, T, I2, T1, X und S. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Berichterstattervermerke zu den mündlichen Verhandlungen vom 8.3.2007 (Bl. 1172 a ff. GA), 9.10.2007 (Bl. 1417 ff. GA) und 17.1.2008 (Bl. 1496 ff. GA) Bezug genommen.
B. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Die Klage ist bereits unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass außer der Kündigung vom 3.11.2005 auch keine weiteren Beendigungsgründe vorliegen, und soweit er die Feststellung des Annahmeverzugs begehrt. Für beides fehlt das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Hinsichtlich des erstgenannten Punktes folgt dies daraus, dass die Beklagte zu keiner Zeit Beendigungsgründe geltend gemacht hat, auf die sie sich nicht bereits zur Rechtfertigung der Kündigung vom 3.11.2005 beruft. Für die Feststellung des Annahmeverzugs könnte sich ein Feststellungsinteresse nur bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung aus der Regelung in § 756 Abs. 1 ZPO ergeben. Vorliegend enthält der Leistungsantrag eine solche Zug-um-Zug-Beschränkung jedoch nicht.
II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, weil die fristlose Kündigung der Beklagten vom 3.11.2005 berechtigt ist und das Anstellungsverhältnis des Klägers mit sofortiger Wirkung beendet hat.
Hierfür kann es dahinstehen, ob dem Kläger Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Projekt "NBP Los 1" vorzuwerfen sind, die geeignet wären, eine fristlose Kündigung zu tragen, und ob insoweit die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten ist. Gleiches gilt für den Vorwurf ungerechtfertigter Tantiemezahlung.
Denn nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme liegen jedenfalls im Zusammenhang mit der Abrechnung von Reisekosten durch den Zeugen S so schwerwiegende Pflichtverletzungen des Klägers vor, dass allein diese die fristlose Kündigung rechtfertigen.
1. Dieser Grund ist zulässig im Laufe des Rechtsstreits nachgeschoben worden.
a) Neue Gründe zur Rechtfertigung der Kündigung, auf die diese zunächst nicht gestützt worden ist, dürfen im Laufe des Rechtsstreits dann nachgeschoben werden, wenn sie bei Ausspruch der Kündigung bereits vorgelegen haben und das für den Ausspruch der Kündigung zuständige Organ das Geltendmachen auch dieser Gründe beschlossen hat.
Des Weiteren darf der Kündigende von den zur Rechtfertigung der Kündigung nachgeschobenen Umständen nicht schon früher als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis gehabt haben, weil die Kündigung dann hinsichtlich dieser Gründe bereits im Zeitpunkt ihres Ausspruchs verfristet wäre. Dagegen ist der Ausspruch einer neuen Kündigung unter Beachtung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB oder auch nur das Nachschieben der Gründe innerhalb dieser Frist nicht erforderlich, weil der bereits fristlos Gekündigte damit rechnen muss, dass bei Ausspruch der Kündigung noch nicht entdeckte Kündigungsgründe nachgeschoben werden (BGH, Urt. v. 01.12.2003 - II ZR 161/02 -; Urt. v. 20.06.2005 - II ZR 18/03 - ) und der Kündigende mit der Geltendmachung eines später entdeckten Kündigungsgrunds sogar bewusst abwarten darf, um diesen nur "im Notfall" heranzuziehen (vgl. BGH Urt. v. 01.12.2003 - II ZR 161/02 -).
Dabei kommt es grundsätzlich auf die Kenntnis des gesamten für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Organs an. Die Kenntnis alleine des Aufsichtsratsvorsitzenden ist nur dann von Bedeutung, wenn er nicht alsbald eine Sitzung zur Entscheidung über die Kündigung einberufen hat. Denn wenn die Einberufung des für die Kündigung zuständigen Organs von seinen einberufungsberechtigten Mitgliedern nach Kenntniserlangung von dem Kündigungssachverhalt unangemessen verzögert wird, so muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre das Organ mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden (BGH Urt. v. 15.6.1998 - II ZR 318/96 -).
b) Nach diesen Grundsätzen kann hier der Kündigungsgrund geltend gemacht werden. Er liegt zeitlich vor dem Ausspruch der Kündigung, der Aufsichtsrat der Beklagten hat seine Geltendmachung beschlossen, und der gesamte Aufsichtsrat als Organ hat jedenfalls erst nach Ausspruch der Kündigung von den nachstehend erörterten Gründen erfahren. Dieser Darstellung der Beklagten ist der Kläger nicht entgegengetreten.
2. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das ist hier der Fall.
Der Kläger verstieß in erheblichem Maße gegen seine Pflichten, indem er dem Zeugen S gestattete, Reisekosten zu fiktiven Terminen in einer Größenordnung von 500 € monatlich abzurechnen, die entsprechende Abrechnung monatelang duldete und die Bezahlung dieser Reisekostenrechnungen veranlasste.
a) Dies steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest. Der Senat sieht es insoweit als erwiesen an, dass der Zeuge S spätestens Ende Dezember 2004 anlässlich der Rückgabe des bis dahin gefahrenen Dienstwagens in einem Gespräch mit dem Kläger sein Begehren zum Ausdruck brachte, entweder durch Abrechnung fingierter Reisekosten oder durch Scheinrechnungen für nicht erbrachte Tätigkeiten zusätzlich zu seinem Gehalt eine Zulage von etwa 500 € monatlich "brutto für netto" zu erhalten, und dass der Kläger dieses zur Kenntnis nahm und ein solches Vorgehen des Zeugen billigte.
aa) Dies folgt zunächst aus der Aussage des Zeugen S.
Der Zeuge hat eindeutig bekundet, dem Kläger vorgeschlagen zu haben, die 500 €, die ihm seiner Meinung nach "zustanden", entweder "in die Reisekostenabrechnung mit einzubauen oder als selbständiger Gewerbetreibender eine Rechnung zu schreiben". An der Richtigkeit dieser Aussage, mit der der Zeuge sich selbst einer Straftat bezichtigt, zu zweifeln, besteht kein Anlass, zumal der Zeuge weiter eingeräumt hat, anschließend entsprechend verfahren zu sein und in die Abrechnungen Termine eingesetzt zu haben, zu denen er nicht gefahren war, was durch die von der Beklagten vorgetragenen nachträglichen Manipulationen seines "Outlook"-Kalenders bestätigt wird.
Ebenso deutlich hat der Zeuge S erklärt, der Reaktion des Klägers ein Einverständnis mit diesem Vorschlag entnommen zu haben. Das spricht, auch wenn der Zeuge nicht mehr angeben konnte oder wollte, was der Kläger "genau gesagt hat", für eine vom Kläger erklärte Billigung. Denn der Zeuge ging nach seiner weiteren Aussage mit dem "Gefühl" aus der Besprechung heraus, das jetzt so machen zu dürfen. Trotz der vom Zeugen angesprochenen Hektik des Gesprächs erscheint es dem Senat danach sowohl ausgeschlossen, dass der Kläger dem Ansinnen des Zeugen widersprochen hätte, als auch dass er den Vorschlag, der immerhin zwei Alternativen umfasste, überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hätte.
Dementsprechend erfolgte bereits am 9.2.2005 die erste entsprechende Abrechnung für den Monat Januar (Bl. 302 GA). Es ist nicht anzunehmen, dass der Zeuge bei einer verbleibenden Unsicherheit ohne weitere Nachfrage sofort zu einer entsprechenden Abrechnungspraxis übergegangen wäre. Auch ein Missverständnis der Reaktion des Klägers scheidet aus. Der Senat hat keinen Zweifel, dass dem Kläger, der nach der Aussage des Zeugen E Fahrtkosten nur der ihm unterstellten leitenden Angestellten abzuzeichnen hatte, die deutliche Überhöhung der abgerechneten Fahrtkosten nach diesem Vorgespräch bemerkte. Anderen fiel sie auch auf. So haben die Zeuginnen X und T1 glaubhaft ausgesagt, dass die Höhe der Abrechnungen bei Herrn S "schon auffällig" gewesen sei (Zeugin X), bzw. es sogar "Flurgespräche" gegeben habe, wie er so viel Reisekosten berechnen könne, wo er doch meistens im Hause war (Zeugin T1).
bb) Dass es eine Willensübereinstimmung zwischen dem Kläger und dem Zeugen S über fingierte Abrechnungen gab, wird weiter gestützt durch das Auftreten des Zeugen S gegenüber dem Zeugen T, wie es sich aus den Aussagen der übrigen vernommenen Zeugen ebenfalls zur Gewissheit des Senats ergibt.
Der Senat geht insoweit davon aus, dass der Zeuge S sich in jedenfalls zwei Gesprächen gegenüber dem Zeugen T völlig unbefangen und arglos auf die getroffene Absprache mit dem Kläger berief, wie es in dieser Nachhaltigkeit nur erklärlich ist, wenn es eine entsprechende Übereinkunft auch tatsächlich gegeben hatte, wobei das erste Gespräch allein mit dem Zeugen T und das zweite zumindest teilweise auch in Anwesenheit der Zeugen E und I2 stattfand. Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Zeuge S ausdrücklich den Namen des Klägers nannte oder ob er sich nur auf ein Einverständnis "der Geschäftsführung" berief, was von seinen Gesprächspartnern ebenfalls nur auf den für ihn zuständigen Kläger bezogen werden konnte, so dass es auch sein mag, dass diese sich bei der Frage, ob der Name fiel, einem Irrtum unterliegen.
Dass es die beiden vorgenannten Gespräche gegeben hat, ist letztlich mit dem Inhalt aller Zeugenaussagen zu vereinbaren. Von vornherein keinem Zweifel unterliegt dabei die Annahme, dass das erste Gespräch nur zwischen den Zeugen S und T geführt wurde. Dies haben beide übereinstimmend so geschildert. Zusätzlich wird dies mittelbar durch die Aussage des Zeugen I2 gestützt, der von der unmittelbar anschließenden Reaktion des Zeugen T ihm gegenüber berichtet hat.
Aber auch vom zweiten Gespräch unter Beteiligung der genannten Zeugen ist der Senat überzeugt. Hierfür spricht insbesondere die Aussage der Zeugin T1, die nach ihrer Darstellung nur dieses eine Gespräch mitbekam, das die Zeugen T, S, E und I2 gemeinsam führten und nach dem der Zeuge T sich ihr gegenüber über das Verhalten des Zeugen S empörte. Es gibt keinen vernünftigen Anhaltspunkt dafür, dass die Zeugin T1, die als Sekretärin nicht unmittelbar in die Vorgänge eingebunden war, insoweit falsche Angaben machen oder auch nur einem Irrtum erlegen sein sollte.
Auch die übrigen Zeugenaussagen fügen sich harmonisch in dieses Bild ein. Gewisse Abweichungen lassen sich ohne weiteres mit verständlichen Erinnerungslücken der Zeugen erklären und geben keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln. So hat der Zeuge T plausibel und glaubhaft bekundet, gezielt ein zweites Gespräch in Anwesenheit des Zeugen I2 herbeigeführt zu haben. Dass dann bei diesem Gespräch zusätzlich der Zeuge E zugegen war, war demnach für ihn von untergeordneter Bedeutung und mag sich deshalb nicht in gleicher Weise in sein Gedächtnis eingeprägt haben. Immerhin hat der Zeuge T auch bekundet, dass es auch ein Gespräch unter Beteiligung von Herrn El gegeben haben könne, er wisse das nicht so genau. Umgekehrt mag für den Zeugen E, der nur ein Gespräch mitbekam, die Anwesenheit des Zeugen I2 und für den Zeugen I2 die Anwesenheit des Zeugen E in Vergessenheit geraten sein. Beides ist erklärlich, weil das Gespräch im Wesentlichen zwischen den Zeugen T und S geführt wurde.
Entscheidend ist demgegenüber, dass trotz solcher bei wahrheitsgemäßer Aussage durchaus zu erwartenden Abweichungen in Nebenpunkten - zu denen auch die Angabe gehört, ob Beträge von etwa 800, 900 oder 1000 € monatlich genannt wurden - der Inhalt der Unterredung von den Zeugen im Kern übereinstimmend geschildert worden ist, nämlich dass der Zeuge S völlig arglos zum Ausdruck brachte, eine Absprache mit dem Kläger zu haben, nicht durchgeführte Fahrten abrechnen zu dürfen, und dass die Zeugen dieses Kerngeschehen nicht nur plausibel und nachvollziehbar, sondern auch mit anschaulichen Details im Randgeschehen und stimmiger gefühlsmäßiger Beteiligung geschildert haben.
Die Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussagen ist nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie nicht völlig mit dem Inhalt der Schriftsätze der Beklagten übereinstimmen, obwohl die Anwälte der Beklagten die Zeugen vorab befragt haben und mindestens der Zeuge T die von diesen verfassten Schriftsätze auch zur Kontrolle bekommen hat. Denn auch insoweit gilt, dass bei mehreren Aussagen zum selben Thema immer wieder Abweichungen in Nebenpunkten, zusätzliche oder fehlende Angaben zu einzelnen Details zu erwarten sind, weil die präsente Erinnerung nicht jeweils völlig identisch ist und Antworten auch je nach Art, Intensität und Zielrichtung der Fragen des Vernehmenden unterschiedlich ausfallen. Gerade gegenüber Anwälten des Arbeitgebers ist die Vernehmungssituation eine völlig andere als im Gerichtssaal. Aus diesem Grunde kommt es auch auf den Inhalt der internen Vermerke der Beklagten über ihre Befragung der Zeugen - auf deren Vorlage zudem ohnehin kein Anspruch besteht - nicht an. Solange eine Konstanz der Aussage im Kerngeschehen bleibt, und das ist hier der Fall, ist dies kein Indiz für unwahre Aussagen. Zum Kerngeschehen weicht die Aussage des Zeugen T nicht von den schriftsätzlichen, u.a. auf seiner Befragung beruhenden Behauptungen der Beklagten ab. Es liegt nahe, dass der Zeuge seine Kontrolle der Schriftsätze auf diesen Umstand beschränkt hat. Dass auch sämtliche anderen Zeugen die Schriftsätze gelesen hätten, ist weder von den Zeugen ausgesagt noch von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgetragen worden.
Letztlich kommt hinzu, dass auch der Zeuge S, wie bereits oben ausgeführt, bekundet hat, im Gespräch mit dem Zeugen T die Bezahlung der fingierten Reisekosten gefordert und sich hierfür auf eine entsprechende Absprache berufen zu haben.
cc) Zweifel an der Existenz dieser Absprache hat der Senat schließlich auch nicht im Hinblick darauf, dass der Zeuge S seine entsprechende Darstellung im Gespräch mit Herrn T als "Schutzbehauptung" bezeichnet hat. Zum einen konnte der Zeuge sich mit einem solchen Hinweis auf ein Einverständnis des früheren Geschäftsführers in jedem Falle gegenüber der Beklagten "schützen", gerade auch, wenn es tatsächlich vorlag. Der Senat vermag dem Gebrauch des Wortes "Behauptung" in diesem Zusammenhang angesichts des übrigen Inhalts der Aussage des Zeugen S nicht zu entnehmen, dass es sich damit um einen unzutreffenden Hinweis handelte.
Vielmehr war im gesamten Aussageverhalten des Zeugen S, der zunächst durch einen Anwalt angekündigt hat, die Aussage verweigern zu wollen, sich dann aber anders entschieden und seine Handlungsweise uneingeschränkt eingeräumt hat, die Tendenz erkennbar, das Fehlverhalten nunmehr weitestgehend auf sich zu beziehen und den Kläger soweit möglich zu schonen. So hat er genaue Angaben zu seinen eigenen Erklärungen und Handlungen gemacht, ist aber vage geblieben, was die Äußerungen des Klägers angeht. Das ist durchaus erklärlich, weil es bei strafbaren Handlungen häufiger vorkommt, dass ein geständiger Mittäter aus Solidarität den anderen nicht belastet. Soweit der Zeuge S indes seine nachfolgende Abrechnungspraxis zu erklären versucht hat, ohne eine ausdrückliche Zustimmung des Klägers wiederzugeben, ist seine Erklärung nicht schlüssig:
Denn der Zeuge hat angegeben, die Billigung des Klägers u.a. daraus entnommen zu haben, dass er auf der nächsten Gehaltsabrechnung die Zulage von 500 € "nicht mehr" drauf hatte. Das ist nicht nachvollziehbar, weil der Zeuge - wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Übersicht (Bl. 1295 GA = Bl. 1489 GA) ergibt, die auf Angaben des Zeugen beruht - zum einen die Zulage bereits seit der Gehaltserhöhung im Juli 2004 nicht mehr bezog und zum anderen auch nicht wegen der Rückgabe des Fahrzeugs erwarten konnte, dass sie ihm wieder gewährt werden würde. Denn bereits seit dem 1.6.2001 war ihm die damals noch gezahlte Zulage nicht mehr als Dienstwagenersatz, sondern ausschließlich für zusätzliche EDV-Tätigkeiten gezahlt worden. Das ergibt sich aus dem entsprechenden Vermerk des Klägers vom 19.6.2001 (Anlage B 69 = Bl. 278 GA). Dies war ohne weiteres möglich, weil die Zulage nach § 2 des Anstellungsvertrags (Anlage B 68 = Bl. 273 ff. GA) frei widerruflich war. Diese Zahlung erfolgte bis Mitte 2004, als die Zulage in der dann erfolgenden Gehaltserhöhung aufging. Letzteres hat der Zeuge S selbst angegeben. Entsprechend diesem nunmehr alleinigen Zweck der Zulage erfolgte auch keine Änderung der Zahlungen für die Zeit von Februar 2003 bis Februar 2004, als dem Zeugen ebenfalls kein Dienstwagen zur Verfügung stand. Er erhielt also auch damals keinen Dienstwagenersatz, was ausdrücklich mit dem Kläger so vereinbart war. Das ergibt sich zum einen aus dem Vermerk des Klägers vom 21.1.2003 (Anlage B 70 = Bl. 279 GA), wonach der Zeuge mit Ende des Monats Januar 2003 seinen Dienstwagen entschädigungslos an die Firma zurückgibt; zum anderen hat der Kläger selbst ausdrücklich vorgetragen, dass er im Januar 2003 mit dem Zeugen vereinbart habe, dass dieser den Dienstwagen zurückgibt und fortan Reisekosten abrechnet, ohne eine zusätzliche Dienstwagenvergütung zu erhalten (Schriftsatz vom 29.5.2007, S. 7 = Bl. 1296 GA). Nach alledem konnte der Zeuge auch bei Rückgabe des Dienstwagens Ende 2004 ohne neue Vereinbarung mit dem Kläger keine Zulage als Dienstwagenersatzvergütung erwarten, aus ihrem Fehlen also auch nicht den geschilderten Rückschluss ziehen.
Dieser unschlüssige Erklärungsversuch enthält nach Auffassung des Senats ebenfalls ein starkes Indiz dafür, dass das Handeln des Zeugen S eben doch auf einem klar zum Ausdruck gebrachten Einverständnis des Klägers mit der Abrechnung fiktiver Reisekosten beruhte. In einer Gesamtschau aller Umstände ist der Senat hiervon überzeugt.
b) Das vorstehend festgestellte Verhalten des Klägers ist von solchem Gewicht, dass der Beklagten die Fortführung des ordentlich nicht kündbaren Anstellungsvertrags bis zu seiner regulären Beendigung am 30.10.2009 unzumutbar ist.
Bei der Gesamtwürdigung aller Einzelumstände fallen zu Lasten des Klägers neben der langen Dauer der Restlaufzeit des Vertrags folgende Umstände ins Gewicht: Zum einen handelt es sich bei der einverständlich praktizierten Abrechnung "brutto für netto" um eine Steuerstraftat. Zum anderen verschleierte der Kläger damit gegenüber der Beklagten aber auch, dass er dem Zeugen überhaupt wieder einen - nicht unerheblichen - Betrag als Dienstwagenersatz zukommen ließ und damit quasi eine weitere Gehaltserhöhung vornahm. Die Verheimlichung einer solchen Entscheidung stellt einen erheblichen Vertrauensbruch dar, weil sie beim Gesellschafter den Verdacht aufkommen lässt, dass der Erhöhung nicht sachliche Erwägungen, sondern persönliche Beziehungen zugrunde liegen. Die nach Aufdeckung dieses Vorgangs eingetretene Erschütterung des Vertrauens ist ferner deshalb von besonderem Gewicht, weil nach dem geschilderten Ablauf zumindest die Besorgnis der Beklagten gerechtfertigt ist, dass möglicherweise bereits im Jahre 2003 in gleicher Weise verfahren wurde, wie von ihr geltend gemacht, auch wenn sich das nicht sicher feststellen lässt. Denn es fällt auf, dass im Jahre 2003 Fahrtkosten in ähnlicher Größenordnung abgerechnet wurden, und dies würde es erklären, wenn der Zeuge S auch 2004 wie selbstverständlich davon ausging, immer noch Anspruch auf einen Dienstwagenersatz zu haben.
Eine fehlende Erschütterung des notwendigen Vertrauens lässt sich dagegen nicht daraus herleiten, dass die Beklagte diesen Kündigungsgrund erstmalig im April 2006 geltend gemacht hat. Denn bei Ausspruch der Kündigung war er ihr noch nicht bekannt und weitergehende Rückschlüsse daraus, dass die Beklagte sich im Rechtsstreit zunächst auf den bei Ausspruch der Kündigung zugrunde gelegten Grund konzentriert hat, sind nicht möglich.
Zugunsten des Klägers sind bei der Gesamtabwägung seine lange Betriebszugehörigkeit im Konzern und die bis dahin beanstandungsfreie Tätigkeit insbesondere in der Geschäftsführung der FI zu berücksichtigen. Angesichts des gravierenden Ausmaßes der Pflichtverletzung und seiner Folgen genügt dieser Umstand jedoch nicht, der Beklagten die weitere Vertragserfüllung für weitere 4 Jahre zuzumuten. Auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung außerhalb der Erfüllung der Pflichten als Organ der Gesellschaft ist nicht ersichtlich.
An der Unzumutbarkeit ändert es auch nichts, dass der Vorwurf den Kläger in seiner Eigenschaft als früheren Geschäftsführer der FI trifft. Immerhin handelt es sich hier um eine 100%ige Tochter der Beklagten. Hätte diese den Geschäftsführervertrag fristlos kündigen können, so kann das auch die Muttergesellschaft, nachdem sie in den Dienstvertrag eingetreten ist, weil der Kläger inzwischen zu ihrem Geschäftsführer "aufgestiegen" ist. Abzeichnungen der Reisekosten im Anschluss an die getroffene Vereinbarung sind zudem auch noch nach Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten erfolgt.
Wie sich die Beklagte gegenüber anderen Mitarbeitern im Einzelfall verhält, ist schließlich unerheblich. Dies kann Pflichtverletzungen des Klägers nicht entschuldigen und berührt den Vertrauensverlust in die Ordnungsgemäßheit seiner Geschäftsführung nicht.
III. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze der Parteien, die sich im Wesentlichen mit einer Beweiswürdigung aus Sicht der jeweiligen Partei befassen, geben unter keinem Gesichtspunkt Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
C. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Abänderung der von Amts wegen zu überprüfenden Kostenentscheidung für die erste Instanz ist nicht veranlasst, obwohl das Landgericht ausweislich seiner Begründung übersehen hat, dass diese Entscheidung teilweise nicht nach § 91 ZPO, sondern nach § 91 a ZPO zu treffen war, nämlich soweit die Parteien wegen des Gehalts für Oktober 2005 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Jedoch hat der Kläger auch danach die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz vollständig zu tragen, weil insoweit die Klage zwar begründet war, dies jedoch im Verhältnis zum Gesamtstreitwert von nur geringer Bedeutung ist, so dass der Rechtsgedanke des § 92 Abs. 2 ZPO Anwendung findet.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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